Aktuell
Chile ist erwacht
Repression und sozialer Widerstand – gestern und heute
Datum für Eröffnung und Ausstellungsdauer folgen
Bilder der Vorbereitungen:
Seit mehr als drei Jahrzehnten arbeitet José Giribás M. als Fotojournalist u.a. für den Spiegel, Bloomberg News oder die Süddeutsche Zeitung Photo. 1973 war er wenige Monate nach dem Militärputsch über Argentinien nach Deutschland geflohen. Seine Arbeit führte ihn mehrfach auch wieder in seine alte Heimat. So reiste er Ende der 80er Jahre dreimal nach Chile, begleitet von der Angst, vielleicht verhaftet zu werden. Mit Unterstützung der Asociación de Fotógrafos Independientes, (AFI), konnte er Aktionen und Demonstrationen gegen die Pinochet-Diktatur, u.a. für die taz dokumentieren.
Zwischen 2016 und 2018 dokumentierte Giribás im eigenen Auftrag 13 Orte, an denen nach dem Putsch 1973 Oppositionelle von Polizei, Geheimdiensten oder Militär verschleppt, dort verhört, gefoltert oder getötet wurden. Giribás suchte 30 Überlebende dieser Folterorte auf, porträtierte sie und schrieb ihre Zeitzeugenberichte auf. Aus all dem wurde eine umfangreiche Ausstellung, die 2017 in Köln und Berlin gezeigt wurde und zu der auch mehrere der Überlebenden als Zeitzeugen anreisen konnten (siehe: www.memoriactiva.info).
Im Oktober 2019 entwickelte sich in Chile eine von breiten Bevölkerungsschichten getragene Protestbewegung. Ausgelöst von einzelnen Aktionen von Studenten gegen erhöhte Fahrpreise, entwickelten sich vielfältige Forderungen nach sozialen Verbesserungen. Nach massiven Ausschreitungen wurde in Santiago der Ausnahmezustand verhängt und erstmals seit den Tagen der Diktatur ging wieder Militär in den Straßen patrouillieren. Die Polizei ging mit brutaler Härte gegen die Aktionen vor. Z.B schoss sie mit Gummischrot, nicht auf die Beine, sondern in Kopfhöhe. Mehr als 411 Menschen erlitten eine Augenverletzung, 25 mit einem geplatzten Augenapfel, 7 verloren ein Auge und 2 Erblindeten. Es gab circa 5000 anderweitig Verletzte und sogar 31 Tote. Quelle: Chilenisches Nationales Institut für Menschenrechte (INHD), Februar 2020.
Zu dieser Zeit war Giribás in Santiago. Natürlich hat auch er die Geschehnisse auf den Straßen fotografiert. Aber vor allem hat er die jungen Kolleg*innen bewundert, die mit ihrer Arbeit die Tradition der AFI fortsetzen. In den Jahren nach dem Putsch 1973 hatte die AFI mit ihren Dokumentationen wesentlich zum Kampf gegen die Diktatur beigetragen.
Giribás nahm sich vor, die Arbeiten der jungen Fotograf*innen auch in Deutschland zu zeigen. Er konnte eine Beteiligung am Lumix-Festival im Juni erreichen. Er fand Sponsoren, um stellvertretend für die jungen chilenischen Kollegen zwei Frauen den Flug und einen einmonatigen Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen, Sofia Yanjarí und Nicole Kramm. Für Letztere, die mit einem Gummigeschoß schwer am linken Auge verletzt wurde war damit auch die Hoffnung auf eine eventuell erfolgreichere Behandlung in Berlin verbunden. All das wurde nun durch die Corona-Pandemie verhindert.
Immerhin: Die Ausstellung in der Fotogalerie am Helsingforser Platz kann stattfinden. Sie war ursprünglich für Juli geplant. Wenn sie nun auf den November verschoben ist, so besteht ein Fünkchen Hoffnung, dass die beiden Frauen doch noch der Einladung folgen können.
Text: Axel Sommer.